Meldungen aus dem Landesverband Saar
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Grabschmuck für über 150 Jahre alte Gräber

Grabschmuck am Grab des Urgroßonkels bei Spicheren: "Hier ruhen in Gott die Tapferen des 74.-Regiments". Volksbund/A. Zemlin-Kohlberger

Das Grab eines geliebten Menschen ist ein Ort der Trauer, den die Hinterbliebenen besuchen können. Sie können dort innehalten, den Tod verarbeiten und das Andenken an die Person durch ein gepflegtes Grab aufrechterhalten. Wer nicht in der Nähe der Friedhöfe wohnt, auf denen Verwandte beerdigt sind, beauftragt meist die Friedhofsverwaltungen, die Gräber zu pflegen und zu bepflanzen.

Der Volksbund bietet einen ähnlichen Service für Kriegsgräber an. Da die Kriegstoten ein ewiges Ruherecht haben, werden die Gräber auf Dauer gepflegt, jedoch ohne individuelle Bepflanzung. Wer einen Kranz oder ein Gesteck niederlegen lassen möchte, gibt dies beim Volksbund in Auftrag. Mehrmals im Jahr landet ein sogenannter Grabschmuck-Auftrag für Kriegsgräber im Saarland auch beim LV Saar. So manchem im wahrsten Sinne des Wortes entfernten Verwandten konnten wir damit schon eine Freude machen. Besucherinnen und Besucher der Kriegsgräberstätte sehen anhand der Blumen oder Kerzen zudem, dass die Kriegstoten nicht vergessen werden.

Mitte März 2023 erhielten wir wieder einen solchen Auftrag – jedoch für zwei Gräber in Frankreich kurz hinter der Grenze. In seinem Schreiben erklärte der Angehörige, Dr. Knut Oloff, dass es sich um die Gräber seines Urgroßvaters und seines Urgroßonkels handelte, die im Deutsch-Französischen Krieg bei Saarbrücken gefallen sind. Das erstaunte uns umso mehr – die Grabschmuckaufträge beziehen sich meist auf Gefallene des Zweiten und seltener auf Gefallene des Ersten Weltkrieges. Für den Krieg 1870/71 ist bisher vermutlich noch nie ein Auftrag erteilt worden. Sehr gerne erfüllten wir unserem Mitglied seinen Wunsch.

Grab an einem geschichtsträchtigen Ort

Das Grab seines Urgroßonkels, Wilhelm Hermann August Oloff, befindet sich am sogenannten Roten Berg bei den Spicherer Höhen. Nicht weit von dort also, wo am Volkstrauertag Kränze niedergelegt werden. Zudem wird dort jährlich im Rahmen einer Gedenkfeier an die Schlacht vom 6. August 1870 erinnert; auch hieran nimmt der LV Saar teil.

August Oloff, geboren am 11. April 1839 in Thorn/Westpreußen (heute Toruń/Polen), war im zivilen Leben Lehrer. Er begann seinen militärischen Werdegang am 7. November 1857 als Fähnrich. Im Laufe der Jahre wurde er immer wieder befördert und 1869 schließlich zum Hauptmann à la suite ernannt. Er ging mit dem 1. Hannoverschen Infanterieregiment Nr. 74 in den Frankreichfeldzug und fiel am 6. August 1870 bei Saarbrücken.

Sein Grab liegt am Fuße der Spicherer Höhen auf dem „Soldatenfriedhof Roter Berg 1870“. Folgt man vom Campingplatz „Am Spicherer Berg“ aus dem Spicherer Weg, der auf französischer Seite zum Chemin du Général von François wird, findet man die Kriegsgräberstätte auf der rechten Seite. Hier liegen Soldaten, die bei der Erstürmung der Spicherer Höhe am 6. August 1870 ihr Leben ließen – unter ihnen August Oloff. Wir besuchten das Grab im April, legten einen Trockenkranz am Kameradengrab nieder und stellten zwei Grablichter dazu.

Liebevolle Briefe an die Ehefrau vom Sterbebett

Der Urgroßvater, Dr. med. Johann Carl Michael Hermann Oloff, wurde vor 188 Jahren, am 29. September 1835, ebenfalls in Thorn/Westpreußen geboren. Er studierte ab 1855 Medizin in Leipzig und Berlin und promovierte 1860. 1864 kam er Assistenzarzt zum Ostpreußischen Feldartillerieregiment Nr. 1 und nahm 1866 am Feldzug gegen Österreich teil. Am 24. Juli 1870 zog er als Feldstabsarzt gegen Frankreich ins Felde. Bei der Belagerung von Metz starb er an der Ruhr und wurde in Téterchen bestattet.

Sein Urgroßenkel, der den Grabschmuck beauftragte, ließ uns eine Abschrift eines seiner Kriegstagebücher zukommen. Darin hat er fast täglich notiert, wo er als Feldstabsarzt eingesetzt war, mit wem er den Abend verbrachte, was er aß und wann er an seine Frau Marie Magdalene Oloff – liebevoll „Mieze“ genannt – schrieb.  Auch eine Abschrift der Bekanntgabe der Geburt des Sohnes am 24. August 1870 hat Dr. Knut Oloff beigefügt. Sein Urgroßvater erfuhr aus der Ferne davon und lernte seinen Sohn nie kennen. Kurz vor seinem Tod schrieb er seiner Frau weiterhin Briefe, obwohl er schon unter der fortgeschrittenen Ruhr litt.  

Kollegen aus Frankreich helfen bei der Suche nach dem Grab des Urgroßvaters

Das Grab von Dr. Hermann Oloff war etwas schwieriger zu finden. Sein Enkel, Dr. Knut Oloff, schickte uns eine handschriftliche Skizze der Grablage mit, die der Bruder von Marie Oloff, Kurt Meyer, im Jahr 1870 angefertigt hatte. Diese in die heutige Geographie zu übersetzen, war nicht einfach. Die Kolleginnen und Kollegen der Volksbund-Außenstelle in Metz konnten jedoch helfen. Sie fanden das Grab zugewachsen und versteckt inmitten von Bäumen. Ein kleiner Arbeitstrupp nahm sich dessen an, befreite die Fläche von hohem Gras, zog die Schrift auf den Kreuzen nach und legte für uns den Kranz nieder. Die Grabstelle wird fortan regelmäßig vom Volksbund gepflegt.

Dr. Knut Oloff selbst wurde mitten im Zweiten Weltkrieg geboren und verlor im Alter von 17 Jahren seinen Vater, welcher als Militär-Attaché in Neu-Delhi stationiert war. Dr. Knut Oloff war ab 1965 als Berufssoldat tätig. Zwei Jahre später beendete ein schwerer Unfall seine Militärlaufbahn. Bedingt durch seinen Gesundheitszustand verbrachte er viele Tage damit, Familienunterlagen zu sortieren. Sie waren größtenteils bei der Überfahrt von Indien nach Deutschland durch eingedrungenes Seewasser beschädigt worden. Durch die akribische Wiederherstellung der Dokumente erfuhr Dr. Knut Oloff einiges über seine Herkunft und Familie und verschriftlichte später auch vieles digital, um es zu erhalten. Ab 1970 studierte er Brauerei-Ingenieurwesen und promovierte 1978. Heute lebt er mit seiner zweiten Ehefrau im niedersächsischen Wriedel, inmitten der Lüneburger Heide.

Herzlichen Dank im Namen des Landesverbandes Saar an Dr. Knut Oloff für diese beiden spannenden Schicksale, die wertvollen Zeitdokumente, Briefe, Tagebucheinträge, Fotos, Urkunden und Stammbäume! So bekommen zumindest zwei Gräber des Krieges nach so vielen Jahren 1870/71 wieder ein Gesicht und eine Geschichte.

Amélie Zemlin-Kohlberger Assistentin für Öffentlichkeitsarbeit