Mein Großvater väterlicherseits, Eisenbahner aus München, hatte leider kein Glück. Er wurde 1942 in Rußland mit seinem gepanzerten Zug in die Luft gesprengt, als mein Vater elf Jahre alt war. Meine Großmutter hat nie wieder geheiratet, sondern ihren Sohn versorgt und ihrem Bruder den Haushalt geführt. Dieser betrieb eine Drogerie, roch immer sehr fein, und trug stets einen Brillanten als Notreserve am linken kleinen Finger. Die beiden wohnten in einer Wohnung Nähe Rotkreuzplatz, an der Einflugschneise der Bomber von Richtung Hackerbrücke/ Hauptbahnhof her die Landshuter Allee entlang. Die Wohnungen wurden damals noch mit Kohleöfen beheizt, die Kohle musste vom Keller in den 2. Stock geschleppt werden. Den Ruf des Kohlenhändlers habe ich noch im Ohr; und die rußschwarzen Finger, wenn ich die Fensterbretter entlangfuhr, fand ich interessant, weil wir das "auf dem Land" nicht kannten. Und frage mich heute manches Mal, über welche Luftverschmutzung wir uns aufregen.
Die "München-Oma" erzählte mir als Kind oft, wie sie in den Luftschutzkeller mussten. Eine Zeitlang wohnten Sie und mein Vater bei Verwandten in der Nähe, da die Wohnung stark zerstört wurde. Um genug Essen zu bekommen, fuhr sie zu den Bauern zum Tauschen ins Umland und nahm lange Fußmärsche auf sich.
Nach dem 2. Weltkrieg nähte sie als gelernte Schneiderin für teure Modegeschäfte in der Maximilianstraße in München in Heimarbeit Kleider; sie bekam 2 DM pro Kleid, das dann für ein Vielfaches verkauft wurde. Nach dem 1. Weltkrieg, den meine Oma als Schulkind miterleben musste, gab es Schulspeisung, nur für sie leider keine Extraportion, da sie schon immer einen sehr kräftigen Körperbau hatte, und gesagt bekam, sie würde zu viel essen. Da setzte sie ihren Wunsch in die Tat um und kaufte sich von ihrem ersten Lehrgeld 2 Pfund der sehnsüchtig begehrten Bananen.
Meine Tante Zenta, die Halbschwester meiner Münchner Oma, Haushälterin bei wohlhabenden Leuten, die ebenfalls zwei Weltkriege überlebte, wurde, geistig fit bis zuletzt, 101 Jahre alt. Es hieß in der Familie, sie sei besser versorgt gewesen als andere. Mein Vater, geboren 1931, wurde nach dem Krieg zur "Steine-Räum-Jugend" eingeteilt. Er wurde wie sein Vater "Eisenbahner" und arbeitete bis zur Rente bei der Bundesbahn. Daneben war er seit seiner Jugend 60 Jahre lang bei der Bergwacht München ehrenamtlich tätig. Er schaffte es zeitlich auch noch, 3x zu heiraten, ein Haus zu bauen und in Nepal auf dem Himalaya herumzuklettern.