Veranstaltungen aus dem Landesverband
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Hundertjähriger und Sohn erarbeiten das Leben des (Groß-)Vaters

Übergabe an das Projekt „Kriegsbiographien“ des Volksbundes

Zwei Männer nebeneinander am Tisch; auf dem Tisch stehen mehrere große Ordner.

Die Ordner auf dem Tisch vor Carl (l.) und Uwe Kleim sind gefüllt mit dem Leben des (Groß-) Vaters Fritz Kleim. Volksbund/Amélie Zemlin-Kohlberger


Vier blaue Ordner stehen auf dem Tisch vor Carl und Uwe Kleim: Ein Werk, das einer wissenschaftlichen Arbeit nahekommt und über mehrere Jahre von den beiden geschaffen wurde. Vater und Sohn haben Feldpostbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg von Carls Vater, Fritz Kleim, kopiert und aus dem Sütterlin übersetzt. Den Inhalt haben sie anschließend in das damalige Zeitgeschehen eingebettet und durch Bilder, Landkarten und Fußnoten ergänzt. Diese entstandene Biographie dient nun dem Projekt „Kriegsbiographien“ in der Bundesgeschäftsstelle Niestetal als Grundlage für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit.
 

Nach dem Krieg aus Norddeutschland ins Saarland gezogen

Carl Kleim ist heute 100 Jahre alt und wohnt in Völklingen. Ursprünglich kommt er jedoch aus dem westfälischen Soest, wo er am 9. Dezember 1924 geboren wurde. Im Zweiten Weltkrieg war er unter anderem im Mittelmeer bei Genua als junger Marineoffizier bei der Suche nach Minen eingesetzt. Nach dem Krieg erlernte er den Beruf des Müllers und absolvierte in Lübeck seine Meisterprüfung. In den 1950er Jahren kam er ins Saarland, da ihm die Arbeit in einer Mühle in Saarlouis-Lisdorf angeboten wurde. Kaum war seine Frau Ina-Maria nachgekommen, der Schock: die Mühle brannte nieder und die beiden standen vor dem Nichts. Carl Kleim entschied sich dazu, als Berufsschullehrer zu arbeiten, und unterrichtete zunächst angehende Müller, später dann Wirtschafts- und Sozialkunde. Das Ehepaar bekam einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn Uwe Kleim wohnt heute in der Nähe von Regensburg, die Tochter im saarländischen Friedrichsthal. Von 1961 bis ins hohe Alter gingen Carl Kleim und seine Frau ihrem gemeinsamen Hobby nach, dem Tanzsport. Kleim ist Gründungsmitglied und inzwischen Ehrenvorsitzender des Saarländischen Landesverbandes für Tanzsport (SLT).

Uwe Kleim, geboren 1953, war zunächst Unteroffizier bei der Bundeswehr in einem Vermessungszug eines Raketen-Artillerie-Bataillons. Anschließend studierte er in München Kartographie. Von 1981 bis 2012 war er Mitarbeiter und technischer Laborleiter an der Professur für Kartographie und Topographie und von 2012 bis 2019 Mitarbeiter an den Professuren für Geoinformatik und Visual Computing der Universität der Bundeswehr München.

Vater war Bürgermeister und diente in zwei Weltkriegen

Der Vater von Carl Kleim, Friedrich Carl Martin Kleim, wurde am 28. Dezember 1889 in Gudensberg, Hessen, geboren. Er studierte Rechtswissenschaften und meldete sich freiwillig als Soldat im Ersten Weltkrieg, den er verwundet überlebte. Ab Sommer 1924 war er für neun Jahre Bürgermeister der Stadt Soest in Westfalen, von 1934 bis 1945 Oberbürgermeister von Herford. Seine Frau Anna Imma Dorothea Behrends und er bekamen eine Tochter, Gisela, und den Sohn Carl. Fritz Kleim erlangte durch regelmäßige Reserveübungen den Dienstgrad des Hauptmanns. Er meldete sich auch zum Zweiten Weltkrieg freiwillig und wurde zunächst an der West- und später an der Ostfront eingesetzt. Ende 1941 wurde er jedoch aus Altersgründen aus dem aktiven Militärdienst entlassen. Nach Kriegsende stellte er sich den britischen Besatzungstruppen und wurde in das Internierungslager „für führende Vertreter des nationalsozialistischen Gedankenguts“ in Recklinghausen-Hillerheide gebracht. Dort erlitt Fritz Kleim eine Darmverschlingung. Die Operation am 27. Dezember 1945 überlebte er nicht. Er wurde im Familiengrab der Familie Behrends-Kleim in Carolinensiel in Ostfriesland bestattet, welches noch heute von der Familie gepflegt wird.

Zufälliger Kontakt nach Aufruf zu Zeitzeugendokumenten

Im Februar 2025 verschickte die Bundesgeschäftsstelle einen Brief an alle Mitglieder und Förderer mit der Bitte, Feldpostbriefe, Tagebücher, Bilder, Dokumente und sonstige Unterlagen aus den Weltkriegen für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Volksbundes zur Verfügung zu stellen. Nicht selten schlummern solche Dokumente in Kisten auf dem Dachboden und werden teilweise irgendwann entsorgt. Um möglichst viel Material zu sichern und für Ausstellungen, Workcamps und Öffentlichkeitsarbeit aufzubereiten, wurde das Projekt „Kriegsbiographien“ ins Leben gerufen. Dorthin wird das Material der Kleims als Leihgabe versendet, sodass sie es jederzeit wieder zurückfordern können. Durch Zufall gab es kurz nach Aussendung des Briefs Telefonkontakt in anderer Sache zwischen Carl Kleim und Amélie Zemlin-Kohlberger vom Landesverband Saar. Kleim erzählte von den historischen Unterlagen in den blauen Ordnern und weckte ihr Interesse. Im April schließlich kam es zu einem Treffen zwischen Carl und Uwe Kleim sowie der Mitarbeiterin des Landesverbandes, bei dem die Unterlagen übergeben wurden.

Herzlichen Dank an Vater und Sohn Kleim für diese mühsame, unglaublich akribische Arbeit über das Leben ihres Vaters/Großvaters. Die jahrelange Aufarbeitung und Einbettung in die Zeit des Zweiten Weltkrieges ist beispiellos und verdient es, einem größeren Kreis zugänglich gemacht zu werden. 

Wenn auch Sie Unterlagen haben, die Sie dem Volksbund übergeben möchten, kommen Sie gerne auf uns zu!

Amélie Zemlin-Kohlberger Assistentin für Öffentlichkeitsarbeit