Meldungen aus dem Landesverband Saar
Meldungen aus dem Landesverband Saar

Ein „Wiedersehen“ nach fast 82 Jahren

Tochter eines Gefallenen besucht sein Grab in Kroatien

Die Tochter des Gefallenen auf der Kriegsgräberstätte Sisak, Kroatien Nico Schmeer

Volksbundmitglied Nico Schmeer hat mit seiner Tante und seiner Schwester das Grab seines Urgroßvaters in Sisak, Kroatien, besucht. Gerne veröffentlichen wir seinen emotionalen Bericht dieser wichtigen Reise:

81 Jahre und 270 Tage nach ihrem letzten Lebewohl ist es endlich so weit. Hiltrud Blaumeiser, die Tochter des Beschlagschmied-Unteroffiziers Gregor Blaumeiser, ist mit ihrer Nichte Nadine und ihrem Neffen Nico nach Sisak in Kroatien gereist, um zum ersten Mal das Grab des Vaters und Urgroßvaters zu besuchen, der auf der Kriegsgräberstätte Sisak seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Wer war Gregor Blaumeiser?

Geboren am 12.03.1917 im saarländischen Heckendalheim erlernte er mit 14 Jahren den Beruf des Huf- und Wagenschmiedes. 1936 lernte er seine Frau Blondina kennen, sie wurden ein Paar und gaben sich am 05. August 1939 das Ja-Wort. Im Januar 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen, machte seine Grundausbildung bei der Artillerie-Ersatzabteilung 246, besuchte im Jahr 1942 die Heereslehrschmiede in Darmstadt und wechselte anschließend zur neu aufgestellten 369. (kroat.) Infanterie-Division.

Vom 30. Dezember 1942 bis 03. Januar 1943 besuchte Blondina Blaumeiser mit der kleinen Hiltrud ihren Gregor, der in der Gemeinde Groß-Haselbach in Österreich stationiert war und kurz vor der Abreise nach Kroatien stand. Es war ein letztes Wiedersehen, denn Gregor erreichte den Abladebahnhof nicht. Der Transportzug wurde im kroatischen Blinjski-Kut durch eine, von Partisanen gelegte, Mine zum Entgleisen gebracht. Während des anschließenden Feuergefechts fiel der junge Unteroffizier durch einen Kopfschuss.

Doch vergessen wurde er in der Familie nie. Seine Frau Blondina heiratete nach dem Krieg erneut, aber behielt ihren Gregor stets in Erinnerung -das Bild auf dem Wohnzimmerschrank, und den Ehering immer am Finger. Der Urenkel Nico Schmeer befasste sich schon in jungen Jahren mit der Geschichte des Urgroßvaters. Doch im Jahr 2023, eher durch Zufall, widmete er sich ausführlicher denn je mit der Vergangenheit seiner Urgroßeltern. Heraus kam ein 90-seitiges Buch über den Urgroßvater und die Geschichte der Familie. Und schnell wurde der Entschluss gefasst auch zum Grab des Urgroßvaters zu reisen. Somit stellt diese Kroatienreise gleichzeitig den Höhepunkt seiner Arbeit dar.

Gedenkfeier mit selbstgeschmiedetem Erinnerungsstück aus der Heimat

Am 27. September war es endlich so weit, im Flugzeug von Frankfurt nach Zagreb, und die letzten Kilometer mit dem Auto nach Sisak. Im Gepäck viele Emotionen, Heimaterde und das letzte gemeinsame Familienfoto, passend umrahmt von einem Herz aus einem Hufeisen vom Pferd der Nichte.

„Es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl, nach einer solch langen Zeit, endlich am Grab des Vaters zu stehen!“ beschreibt Hiltrud Blaumeiser ihre Gefühle.

Obgleich es ein bedrückendes Gefühl war, die Kriegsgräberstätte zu besuchen, so war es gleichsam ein schönes und gutes Gefühl. Das Gefühl, endlich dem Vater und Urgroßvater wieder nahe zu kommen. 

In einer kleinen, privaten Gedenkfeier gedachte die Familie ihrem Gefallenen, legten ihm zu Ehren ein Blumengesteck mit mitgebrachten Trauerschleifen nieder. 

„Wie durch eine höhere Macht gesteuert, wurden wir alle drei von der rechten Seite des Massengrabes angezogen, es fühlte sich an, als würde Gregors Geist uns mitteilen, dass sich seine sterblichen Überreste in diesem Bereich des Grabes befinden.“

Die Heimaterde vom Grab der Urgroßmutter und von Gregors elterlichem Grundstück wurden ebenfalls bei dieser Gedenkfeier ins Grab eingebracht. Da er nicht mehr nach Hause und zu seiner Frau kommen durfte, so kam zumindest nach so langer Zeit die Heimat und ein Teil seiner Frau zu ihm.

 Eine weitere Station der Reise sollte der Ort Blinjski-Kut sein, ein kleines Dorf, 15km östlich Sisak, der Ort, in dem Gregor in den frühen Morgenstunden des 05.01.1943 sein noch so junges Leben ließ.

„Ein eigenartiges Gefühl machte sich in der Magengegend breit, als wir den Wagen verließen und den Bahndamm abschritten, in dem Wissen, das genau hier, an dieser Stelle unser Blut im Boden ist. Ein Film spielte sich vor meinem inneren Auge ab. Ich fühlte mich versetzt in die Nacht des 05.01.1943. Das Ferne lag plötzlich zum Greifen nah. Die Explosion der Dampflokomotive, die Chaosphase der angegriffenen Soldaten, das Bellen der Maschinengewehre, Schreie von Verwundeten, das Wiehern der Pferde, die letzten Minuten im Leben eines noch so jungen Vaters, der nicht wusste, dass er vor wenigen Tagen einen Sohn gezeugt hatte. 

Fragen machten sich in mir breit: Bestand überhaupt die Möglichkeit, sich zu verteidigen? Dachte er in seinen letzten Sekunden an Frau und Kind? Hatte er Angst?“ beschreibt Nico die Situation.

All diese Gedanken machten bedrückt und nachdenklich!

Gleichwohl machte sich am Ende der Reise eine innere Zufriedenheit breit. Die Zufriedenheit, endlich ein Kapitel der Familiengeschichte, welches seit 81 Jahren offen lag, aufzuarbeiten und mit ihm den Frieden am Grab zu machen.

Text: Nico Schmeer, Oktober 2024

Amélie Zemlin-Kohlberger Assistentin für Öffentlichkeitsarbeit